Kürzlich erschien die 100. Madiswiler Dorfzeitung «Linksmähder» als Sonderausgabe mit Beiträgen von Leserinnen und Lesern. Als Ergänzung zu diesem Jubiläum hat der Ortsverein einen Geschichtenweg durch Madiswil organisiert. An 22 Stationen in allen Ortsteilen sind Anekdoten, Informationen und Fotos mit Bezug zum jeweiligen Standort zu finden.
In Madiswil hätte das Hollywood der Schweiz entstehen sollen. Der Erfinder, Filmregisseur und Unternehmer Albert Roth-de Markus kündete 1912 die Schaffung der «ersten Fabrik für kinematographische Filme in der Schweiz» mit Sitz im Linksmähderdorf an. Für einen ersten Monumentalfilm wurden im Oberaargau bis zu 3000 Statisten gesucht. Warum das Projekt dann letztendlich gescheitert ist und was das für das Schicksal des «Vaters des Schweizer Films» bedeutete, kann zurzeit auf einer Tafel im Madiswiler Zielacker nachgelesen werden. Insgesamt 22 solcher beschrifteten und bebilderte Tafeln stehen bis Ende November auf dem Madiswil Gemeindegebiet.
Der Geschichtenweg durch die verschiedenen Ortsteile wurde anlässlich der 100. Ausgabe der Dorfzeitung Linksmähder vom Ortsverein organisiert. Auf den Holztafeln sind historische Bilder und informative oder amüsante Texte zu entdecken, die mit dem jeweiligen Standort in Verbindung stehen. «Es gibt viele Bilder, Anekdoten und Erinnerungen, die es wert sind, gezeigt oder erzählt zu werden», sagt der Linksmähder-Redaktor Patrick Bachmann.
So wird zum Beispiel vor der Biofarm in Kleindietwil, dem Standort der früheren Sekundarschule, aus dem Schulbetrieb vor hundert Jahren berichtet: «Das Jahr 1920 zeigte ebenfalls seine Tücken. Die Maul- und Klauenseuche gebot einen um vierzehn Tage früheren Beginn der Herbstferien. Von einzelnen Gehöften durften die Kinder erst drei Wochen nach Aufnahme des Unterrichts wiederkommen.» Hundert Jahre später wurde der Schulbetrieb durch ein anderes Virus beeinträchtigt ...
In Leimiswil an der Langeten ist auf einer weiteren Tafel ein Text von Roland Binz über die etwas in Vergessenheit geratene Langenthaler Schriftstellerin, Frauenrechtlerin und Umweltaktivistin Lydia Eymann zu lesen. Beim ehemaligen Standort des Madiswiler Ballenberg-Bauernhauses berichtet Erich Sommer von seinen Erinnerungen an die damalige Bewohnerin, die von den Kindern nur «Frau Privatier» genannt wurde.
«Das Leben besteht aus Geschichten und gute Erzählungen werden uns immer anziehen», sagt der Linksmähder-Redaktor Patrick Bachmann. «Geschichten sind der Kitt, der Familien, Nachbarschaften und Freunde zusammenhält. Sie fördern die Gemeinschaft. Und dies ist auch der Sinn und Zweck einer Dorfzeitung.»
Seit 17 Jahren erscheint in Madiswil die Dorfzeitung mit dem Titel Linksmähder – inzwischen sind es 100 Ausgaben. Auch der Madiswiler Gemeindepräsident Ueli Werren gratuliert zum Jubiläum. «Unser Linksmäher ist die schönste und attraktivste Dorfzeitung im ganzen Oberaargau», ist er überzeugt. Initiiert wurde das Blatt 2005 von Landwirt und Biopionier Werner Scheidegger. Seine Überzeugungsarbeit führte zur Fusionierung verschiedener kleiner Publikationen zum parteipolitisch unabhängigen Lokalmatador Linksmähder. Während viele klassische gedruckte Medien auf dem Rückzug sind und die lokale Berichterstattung ausgedünnt wird, bleibt der Linksmähder eine Erfolgsgeschichte. Der Ortsverein Madiswil als unabhängiger Herausgeber und ein kleines, eingespieltes Redaktionsteam ermöglichen es, zweimonatlich eine rund 40-seitige Zeitung zu produzieren, welche in einer Auflage von rund 1'800 Exemplaren an alle Haushaltungen der Gemeinde verteilt wird und zusätzlich an rund 100 Abonnenten geht. Patrick Bachmann freut sich über das beständige Interesse von Bevölkerung und Gewerbe und ist vom Bedarf einer lokalen Publikation fest überzeugt. «In kleineren und mittelgrossen Gemeinden stiftet eine Dorfzeitung Identität und wirkt verbindend», sagt der Redaktor. Voraussetzung sei aber ein funktionierendes Dorfleben – also aktive Vereine, ein gesundes Gewerbe und eine engagierte Bevölkerung.
Neben dem Geschichtenweg erschien zu diesem Jubiläum kürzlich auch eine Sonderausgabe mit Geschichten und Fotos von Leserinnen und Lesern. Da berichtet zum Beispiel ein ehemaliger Madiswiler augenzwinkernd aus seiner Kindheit der 40er- und 50er-Jahren, heutige Schulkinder versuchen sich vorzustellen, wie wohl das Dorf in 50 oder 100 Jahren aussehen wird oder es sind Fotos oder Postkarten aus einer längst vergangenen Welt abgebildet.
Die Jubiläumsausgabe kann hier als PDF runtergeladen oder kostenlos bestellt werden (solange Vorrat). Der Geschichtenweg ist noch bis zirka Ende November 2022 zu besichtigen.